In Bad Segeberg ist Heidi van Thiel (Essen) als Bundesjugendwartin wiedergewählt worden. Wie sie den Bundesjugendausschuss erlebt hat, wo sie die größten Herausforderungen und welche Hoffnungen sie für die nächsten Jahre hat, verrät sie im Interview.
Frau von Thiel, Sie sind gerade wieder zur Bundesjugendwartin gewählt worden. Was hat Sie motiviert weiterzumachen?
Heidi van Thiel: „Der Pferdesport befindet sich in einer nicht einfachen Zeit. FN und DOKR sind in einem Umbruch. Ich dachte, da sei es wichtig, für eine gewisse Kontinuität zu sorgen. Daher habe ich mich entschlossen, noch einmal zu kandidieren. Das gilt im Übrigen auch für die gesamte Bundesjugendleitung, die komplett wiedergewählt worden ist. Nur bei den Jugendsprechern hat es turnusmäßige Änderungen gegeben. Das zeigt, dass wir alle weiterhin hochmotiviert sind, etwas für die Nachwuchsförderung zu tun und der Jugend eine Stimme zu geben. Dafür mein herzlichster Dank. Diese Aufbruchstimmung hat man auch im gesamten Bundesjugendausschuss gespürt. Das war toll. Und auch, dass wir über die letzten Jahre richtig zusammengewachsen sind und es zwischen der Bundesjugendleitung, den Landesjugendwarten und den Jugendsprechern großes Vertrauen und eine gegenseitige Inspiration gibt. Die Zusammenarbeit macht wirklich Spaß. Ich freue mich auf die kommende Zeit.“
Wie Sie sagten, ist gerade alles nicht ganz einfach. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen, vor denen der Pferdesport in den nächsten Jahren steht?
Heidi von Thiel: “Da ist zum einen der Erhalt und die Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz. Der Reitsport ist ein so einzigartiger Sport mit dem Lebewesen Pferd und unser Ziel muss sein, dass er für die nächsten Generationen erhalten bleibt. Letztlich trägt jeder einzelne Reiter, Voltigierer und Fahrer dazu bei, welches Bild der Pferdesport in der Öffentlichkeit abgibt. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Eine weitere Herausforderung ist der demographische Wandel. Unsere aktuelle Mitgliederstatistik zeigt erneut, dass gerade im Bereich der unter 26-Jährigen ein Minus zu verzeichnen ist. Und natürlich macht uns – wie wohl allen in Deutschland – vor allem die wirtschaftliche Lage Sorgen. Wir erleben, dass alles teurer wird, gerade auch die Pferdehaltung. Auch das ist echte Herausforderung.”
Welche Lösungsansätze gibt es?
Heidi van Thiel: „Es wäre schön, wenn es für jedes Problem eine einfache Lösung gäbe. Aber das ist natürlich nicht so. Nehmen wir das Beispiel Finanzen. Wünsche gibt es viele, aber nicht alle lassen sich erfüllen. Daher sind wir auf starke Partner angewiesen. Stellvertretend für alle bisherigen Förderer, Unterstützer und Sponsoren möchte ich an dieser Stelle der Stiftung Deutscher Pferdesport, der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung, der Horst-Gebers-Stiftung sowie der Dieter-Hofmann-Stiftung für ihr großes Engagement für unseren Reiternachwuchs bedanken. Sie sind gute Beispiele dafür, dass es möglich ist, gerade für einzelne Projekte Unterstützung zu finden. Das geht aber nicht von selbst. Interessant hierzu war eine Talkrunde beim diesjährigen Jugendausschuss zur Frage, wie kommt man auf regionaler oder lokaler Ebene an Fördermittel oder wie spricht man Sponsoren an. Dazu gibt es zwar keine fertige Liste, die man nur abzuarbeiten braucht, aber es gab einen sehr regen Austausch, der viele Impulse für ein mögliches eigenes Vorgehen geliefert und ein sehr gutes Feedback erhalten hat.”
Was die Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz betrifft, gab es bereits zahlreiche Social License-Workshops, beispielsweise im Rahmen der Kaderlehrgänge. Darin geht es darum, das eigene Tun zu überdenken, aber zum Beispiel auch um die Frage, wie man sich gegenseitig unterstützen kann, Fehlverhalten zu vermeiden. Wie ich gehört habe, wurden diese Workshops bisher sehr angenommen, die Teilnehmer haben mit einem Riesenengagement mitgemacht. Bleibt zu hoffen, dass diese Workshops auch auf Landesebene oder auch innerhalb der Vereine stattfinden. In Warendorf haben die Landesjugendsprecher außerdem im Rahmen der Ausbildung zum „Jugendbotschafter Pferdewohl“ überlegt, was sie zum Thema Social License tun können. Entstanden sind beispielsweise eine Postkarten-Aktion, Pferdewohl-Kartenspiele und vieles mehr für die Umsetzung auf Landesebene.
Die Vereine als Fundament des Pferdesports sind auch gefragt, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche vor Ort für unseren Sport zu gewinnen – auch in ihrem ureigenen Interesse. In bin total begeistert, dass in diesem Jahr zusammen mit dem Verein Pferde für unsere Kinder e.V. über 250 Pferdeerlebnistage in den Vereinen umgesetzt wurden und die Türen für die Kinder und Jugendlichen geöffnet wurden. Das macht doch Mut. Insbesondere freue ich mich auch darauf, dass im Dezember fdas große Unterstützungsprojekt ‚100 Schulpferde plus‘ startet. Da steht die Unterstützung von Reitschulen im zentralen Fokus. Das ist genau richtig, denn sie sind es, die Kindern und Jugendlichen den Einstieg in den Pferdesport überhaupt erst ermöglichen.“
Der deutsche Reiternachwuchs war in den letzten Jahren wieder hocherfolgreich? Woran liegt das und was muss getan werden, damit das so bleibt?
Heidi van Thiel: „Ja, die Bilanz ist unglaublich. Allein in diesem Jahr haben unsere Nachwuchssportler 33 Medaillen gewonnen, davon 19 Goldene, und zudem 27 vierte bis zehnte Plätze geholt. Grund dafür ist unser gutes Ausbildungs- und Turniersystem, um das wir international beneidet werden. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank den hochmotivierten Bundestrainern und Equipechefs und natürlich auch den Landesverbänden, ohne deren die Aufbauarbeit, Talentscouting und -sichtung wir diese Reiter, Voltigierer und Fahrer nicht hätten und damit dieser Erfolg nicht möglich wäre. Darauf ausruhen dürfen wir uns aber nicht. Die Entwicklung im internationalen Sport ist unglaublich. Wir müssen uns also jedes Jahr wieder fragen, was wir künftig noch besser machen können. Und wir müssen uns auch fragen, wie wir wieder mehr Kinder und Jugendliche in den WBO- und später LPO-Turniersport bringen.“
Wie sieht es eigentlich mit der Beteiligung, dem Mitspracherecht, der Jugend selbst aus? Seit etlichen Jahren gibt es nun schon das Junior-Team der FN, seit dem Jahr 2002 Jahren gibt es Bundesjugendsprecher in der Bundesjugendleitung? Wie haben Sie die Entwicklung erlebt?
Heidi van Thiel: „Die Beteiligung der Jugendlichen hat wirklich eine gewaltige Entwicklung genommen. Was ich besonders positiv empfand und erwähnenswert ist, dass in der Sitzung in Bad Segeberg mittlerweile nicht mehr nur über die Jugend gesprochen wurde, sondern vor allem auch mit der Jugend. Wir haben es geschafft eine Atmosphäre herzustellen, in der sich auch die 18- bis 20-Jährigen aktiv einbringen und mitdiskutieren, ihre Projekte präsentieren und die Zukunft mitgestalten wollen. Außerdem können wir mit Stolz sagen, dass die Idee, mit den Jugendsprechern das Ehrenamt für morgen zu gewinnen, voll aufgegangen ist. Generell erleben wir seit einigen Jahren den Trend, dass die Jugendsprecher, wenn sie die Altersgrenze überschreiten, direkt ins Amt des Jugendwartes wechseln. Beispiele hierfür sind Cedric Hinrichs (Schleswig-Holstein), Marie-Helene Fischer und Victoria Beck (Thüringen), Henriette Dierkes (Mecklenburg-Vorpommern) und gerade erst Noel Schlees aus Westfalen. Und unser allererster Bundesjugendsprecher Christian Legler ist heute Vorsitzender des Pferdesportverbandes Sachsen-Anhalt. Das ist wirklich eine tolle Bilanz!”
Angesichts des bevorstehenden Wechsels an der Spitze der FN und den Neuwahlen im kommenden Jahr haben die Jugendsprecher übrigens ein Positionspapier vorbereitet und vom gesamten Bundesjugendausschuss inhaltlich bestätigt. Hauptanliegen darin, ist die aktive Beteilung der Jugend am Verbandsgeschehen.“
Mit welchem besonderen Ziel starten Sie ins nächste Amtsjahr? Haben Sie einen besonderen Wunsch?
Heidi van Thiel: „Dass wir die Aufbruchsstimmung von Bad Segeberg mitnehmen, um die Herausforderungen zu bewältigen und eine Zukunft für unsere Jugend zu sichern.“
fn-press/Hb