Paralympics: „Wieder in der Weltspitze angekommen“ – Interview mit DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler

Das niederländische Nationale Reitsportzentrum in Ermelo (NED). KNHS/ Arnd Bronkhorst
Das niederländische Nationale Reitsportzentrum in Ermelo (NED). KNHS/ Arnd Bronkhorst

Sechs Medaillen – drei silberne und drei bronzene – bringen die deutschen Para-Dressurreiter von den Paralympics in Paris mit nach Hause. Ein Erfolg, der sich bereits im vergangenen Jahr bei den Europameisterschaften in Riesenbeck andeutete und an frühere Zeiten anknüpft, in denen die Para-Dressurreiter zu den regelmäßigen Medaillengaranten zählten. Allerdings hat sich im Sport auch viel verändert. Im Anschluss an Paris zog Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) ein erstes Fazit.

Dr. Peiler, zwei Wochen nach den Olympischen haben die Paralympischen Spiele in Paris stattgefunden. Wie war Ihr Eindruck?
Dr. Dennis Peiler: „Die Spiele in Paris fanden in einer ganz besonderen Atmosphäre statt, eine ganze Stadt feierte den Sport. Die Paralympischen Reiterspiele standen den Olympischen Spielen dabei um nichts nach. Die wunderbare Reitanlage in Versailles, die Stimmung auf der Tribüne – das war in beiden Fällen großartig und wird allen Beteiligten noch lange positiv in Erinnerung bleiben. Gleiches gilt auch für die sportliche Bilanz: Sechs Medaillen und keine Platzierung schlechter als Platz vier – das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis. Damit meldet sich der deutsche Para-Dressursport wieder zurück an der Weltspitze und darf sich im Nationenranking wieder zu den Top Drei zählen.”

Wie ist das geglückt? Wie hat sich der Sport entwickelt?
Dr. Peiler: “Die deutschen Para-Reiter waren zuletzt 2012 in London so erfolgreich. Seitdem haben wir Schritt für Schritt den Anschluss verloren. In Rio gab es zwar noch eine Mannschaftsmedaille, aber nur eine Einzelmedaille, in Tokio dann nur noch eine Einzelmedaille. Im Team erging es uns das ähnlich wie jetzt in Paris den Engländern, die jahrzehntelang den Sport dominierten und nun auf Platz sieben gelandet sind. Auch daran merkt man: Der internationale Para-Dressursport hat sich in einem rasanten Tempo weiterentwickelt, ist globaler geworden, es gibt mehr Wettbewerb. Gleich mehrere Nationen sind an einem guten Tag in der Lage, eine Mannschaftsmedaille zu gewinnen. In jedem Grade gibt es mehrere Ausnahmepaare. Das ist gut für den Sport, bedeutet aber auch eine zunehmende Herausforderung, wenn man weiter vorne mitmischen will. Man merkt an jeder Ecke, dass auch der Para-Sport immer professioneller wird. In den Anfangszeiten wurde bei Paralympischen Spielen sogar noch auf Leihpferden geritten. Heute reicht es nicht mehr einfach aus, ein braves Pferd zu haben, das seinen Job gut macht. Die Qualität des Pferdes spielt eine immer entscheidendere Rolle. Auch das gilt es zu berücksichtigen.”

Wie wurde auf diese Herausforderungen reagiert?
Dr. Peiler: “Nachdem wir uns bei den Weltmeisterschaften in Herning 2022 nur mit Mühe für die Paralympics in Paris qualifizieren konnten, haben alle verstanden, dass gehandelt werden muss. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS), das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) und das DOKR haben sich zusammengesetzt und überlegt, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um eine Trendwende einzuleiten. Kompetenzen und Zuständigkeiten wurden neu verteilt. Das DOKR verantwortet jetzt seit dem vergangenen Jahr vollständig den Para-Spitzensport. Dabei können wir weiter auf die Expertise des DKThR, insbesondere in der so wichtigen Basisarbeit zurückgreifen. Eine der Neuerungen war beispielsweise, dass wir erstmals einen hauptamtlichen Teammanager haben, die Sichtungswege wurden überarbeitet und noch mehr Lehrgangsmaßnahmen und Heimtrainingsmaßnahmen angeboten. Einen großen Anteil am jüngsten Erfolg hat auch unsere neue Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer. Sie – wie auch das Team dahinter – ist ein Glücksfall für den Verband und bei den Aktiven voll akzeptiert. Überhaupt muss ich sagen, dass die Reiterinnen und Reiter alle toll mitgemacht haben, ihr Management hinterfragt haben und es, wo erforderlich, optimiert haben. Erste Früchte haben all diese Neuerungen bereits im vergangenen Jahr bei den Europameisterschaften in Riesenbeck getragen. Und daran wurde mit Blick auf Paris in diesem Jahr konsequent weitergearbeitet.”

War den früher etwa alles schlecht?
Dr. Peiler: “Auf gar keinen Fall! Über Jahrzehnte ist eine super Arbeit geleistet worden. Nicht umsonst waren wir über so viele Jahr so überaus erfolgreich. Aber manchmal gibt es eben einen Umbruch, es gibt eine Durststrecke. Das haben ja auch schon andere Disziplinen oder Nationen erleben müssen. Und die Entwicklung im Para-Sport in jüngster Zeit ist rasant. Unser ganzes System musste daher einmal grundsätzlich hinterfragt werden. Es mussten neue Impulse gesetzt werden.”

Gerade aktuell eine spannende Frage: Wie lässt sich das Ganze finanzieren?
Dr. Peiler: Ohne finanzielle Mittel geht das alles natürlich nicht. Neben dem wichtigsten Unterstützer, dem Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat (BMI), möchte ich an dieser Stelle insbesondere auch die Stiftung Deutscher Pferdesport erwähnen. Beiden gebührt ein großer Dank. Treue Partner sind auch die Stiftung Deutsche Sporthilfe und die Bundeswehr. Letztgenannte unterstützen die Para-Reiterinnen und -Reiter direkt und helfen Ihnen den Sport überhaupt auf diesem Niveau betreiben zu können.

Die Paralympics sind nicht nur ein riesiges Sportfest, sondern sollen auch auf die Probleme von behinderten Menschen in der Gesellschaft sichtbar machen? Wie weit ist der Pferdesport in Sachen Inklusion?
Dr. Peiler: Weit, aber noch nicht weit genug. Allerdings können bei uns Menschen mit körperlichen Einschränkungen auch nationalen Turniersport (Regelsport) teilnehmen, wo notwendig auch mittels kompensatorischer Hilfsmittel. Da sind wir weiter als viele andere Sportarten. Auch die Zahl der Para-Dressurprüfungen auf Turnieren in Deutschland hat in diesem Jahr zugenommen. Bleibt zu hoffen, dass das nicht nur den bevorstehenden Paralympics geschuldet war. Persönlich sehr gut finde ich, dass der Weltreiterverband schon seit Jahren eine Dressur-EM und auch die WM in der Regel nur an einen Veranstalter vergibt, der gleichzeitig auch die EM/WM in der Para-Dressur ausrichtet. In diesem Zusammenhang freue mich besonders, dass nun auch die Deutschen Meisterschaften in der Para-Dressur in diesem Jahr erstmals zusammen mit DM Dressur in Balve ausgetragen wurden. All dies hilft dabei, den Para-Sport sichtbarer zu machen – und auch Paris hat sicherlich noch einmal einen großen Beitrag dazu geleistet. In Sachen Inklusion haben wir gesellschaftlich und im Sport aber generell immer noch Aufholbedarf.”
fn-press/Hb

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