Nach den beiden Corona-Jahren hat der Turniersport in Deutschland zunächst wieder Fahrt aufgenommen. Doch die steigenden Kosten für Pferdehaltung und Pferdesport – bedingt durch Krieg, Energiekrise und Inflation – haben den beginnenden Aufschwung ausgebremst. Laut Statistik stagniert der Turniersport 2023 weitgehend auf Vorjahresniveau – mit leichter Abwärtstendenz. „Unser Ziel muss es sein, diesen Trend umzukehren. Realistisch gesehen erscheint es jedoch aufgrund der finanziellen Entwicklungen leider unwahrscheinlich, dass wir in nächster Zeit wieder Zahlen erreichen werden wie vor Corona“, erklärt Vicky Laufkötter, seit Anfang 2023 Leiterin der Abteilung Turniersport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).
Die Zahl der Turniere hatte es 2022 fast geschafft wieder auf Vor-Corona-Niveau heranzukommen. 2023 zeigt allerdings einen Rückgang an Veranstaltungen um knapp vier Prozent. Statt 3.562 werden insgesamt 3.428 nationale Turniere ausgetragen mit insgesamt 58.084 Prüfungen, das sind rund 1,6 Prozent weniger als 2022. Die Anzahl an Starts liegt auch 2023 wieder im Millionenbereich, fällt mit 1.104.836 Starts jedoch ebenfalls etwas geringer aus als im Vorjahr (1.111.842 Starts / minus 0,6 Prozent).
Anzahl „gemischter Turniere“ konstant
Auffällig ist auch, dass der Rückgang vor allem Turniere betrifft, auf denen nur Leistungsprüfungen (LP) ausgeschrieben wurden, also reine LPO-Turniere. Diese weisen ein Minus von rund 13 Prozent im Vergleich zu 2022 auf. Die Anzahl gemischter Turniere, also solche mit Prüfungen nach LPO und Wettbewerben gemäß WBO, sind mit 2.444 Veranstaltungen sogar um rund 0,7 Prozent gestiegen (2022: 2.426).
Erneutes Plus an S-Prüfungen
Betrachtet man die Dotierung der Turniere, stellt man fest, dass die Zahl der Veranstaltungen mit Preisgeldern ab 15.000 Euro aufwärts wieder zugenommen hat, während solche mit geringeren Preisgeldern tendenziell rückläufig sind. Dazu passt, dass die Zahl der S-Prüfungen das Niveau von 2022 sogar leicht um rund 2 Prozent übersteigt. „Damit sind wir hier wieder bei den Zahlen von 2019. Dies lässt sich durch den Bedarf der Profis erklären, die weiterhin nahezu unverändert an Turnieren teilnehmen, und ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Professionalisierung in unserem Turniersportangebot stabil bleibt und sogar fortschreitet“, erklärt Laufkötter.
Einsteigerbereich weiter rückläufig
Als bedenklich bezeichnet Laufkötter jedoch die Entwicklung in allen darunter liegenden Klassen. Mit einem Minus von knapp einem Prozent weist die Zahl der A-Prüfungen den geringsten Rückgang auf. In den Klassen L und M sind es zwei beziehungsweise drei Prozent gegenüber 2022. Besonders stark zurückgegangen sind die Prüfungen im Einsteigerbereich mit minus 4,4 Prozent in der Klasse E. Dieser Trend spiegelt sich auch in der Zahl der 2023 ausgestellten, kostenlosen Schnupperlizenzen für den Turniereinstieg im LPO-Bereich wider. Von diesem werden 2023 insgesamt 4.806 ausgestellt, das sind über acht Prozent weniger als im Jahr zuvor (5.230). „Diesen Basisbereich zu stärken, wird unsere größte Herausforderung für die kommenden Jahre. Der Reiternachwuchs muss über den WBO-Bereich in den ‚Leistungssport‘ hineinwachsen. Dafür braucht man zuerst einmal kein eingetragenes Turnierpferd, kein Reitabzeichen und keine Schnupper- oder Jahresturnierlizenz – nur ein passendes Wettbewerbsangebot in der Nähe und etwas Motivation durch Vereine und Ausbilder“, sagt Laufkötter. „Genau hier setzen die zahlreichen hinführenden Wettbewerbe in der neuen WBO an, um den Übergang in den Turniersport zu erleichtern“, so Laufkötter weiter.
Auch Reitausweise knapp unter Vorjahresniveau
Im Jahr 2023 werden 69.635 Jahresturnierlizenzen ausgestellt, das rund drei Prozent weniger als im Vorjahr (71.831). Dabei nimmt der Anteil an Männern und Jungen im Turniersport gegenüber den Reiterinnen weiter kontinuierlich ab und beträgt nur noch 12 Prozent, vor Corona waren es 13,2 Prozent, vor 20 Jahren machten die Männer noch rund ein Fünftel aller Turnierteilnehmer aus. Insgesamt stehen 8.408 Turnierreiter 61.227 Turnierreiterinnen gegenüber.
Mehr Liste III-Pferde
Die Zahl der neu registrierten Turnierpferde folgt ebenfalls dem allgemeinen Trend. 2023 werden rund 1,7 Prozent weniger neue Pferde ins Turnierpferderegister eingetragen: 22.272. Dabei ist der Anteil an Liste I-Pferden (16.152), also von einem deutschen Zuchtverband registrierte Pferde, so gering wie in den letzten zehn Jahren nicht. Dem gegenüber steht der höchste Anteil an Liste III-Pferden in dieser Zeitspanne, also an Pferden ohne deutschen Abstammungsnachweis: 5.889. Die Zahl der fortgeschriebenen Turnierpferde geht von 120.453 um knapp ein Prozent auf 118.129 zurück.
Zu diesen Zahlen passt, dass der Anteil an drei- und vierjährigen Pferden innerhalb der Gesamtzahl der Turnierpferde leicht zurückgegangen und nun knapp unter 9 Prozent liegt. Der größte Teil der Turnierpferde ist nach wie vor zwischen fünf und 15 Jahre alt (rund 80 Prozent). Rund elf Prozent sind 16 Jahre und älter.
Springprüfungen haben weiterhin den höchsten Anteil
Ein abschließender Blick auf die Disziplinen zeigt, dass Dressur- und Dressurreiterprüfungen mit über 30 Prozent und die Dressurpferdeprüfungen mit knapp sechs Prozent prozentual zusammen mit den Reitpferdeprüfungen im Jahr 2023 mehr als 38 Prozent des nationalen Turniersports ausmachen. Den nach wie vor größten Anteil haben wie immer die Springprüfungen (43 Prozent). Zusammen mit den Springpferdeprüfungen machen sie knapp 54 Prozent des Turniersports aus.
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