(Groß Viegeln) Der Holsteiner Wallach Clausen ist 28 Jahre alt und eines von mehreren Beispielen dafür, dass international erfolgreiche Sportpferde ein langes Leben haben können. Mit Holger Wulschner war Clausen über Jahre hinweg siegreich und platziert im internationalen Sport, beim CHIO Aachen, in den Nationenpreisen von Hickstead über Rom bis Calgary oder Dublin. Die Goldene Peitsche in Nörten-Hardenberg gewann Wulschner mit dem 1996 geborenen Wallach von Corleone aus der Zucht der ZG Linau/ Rohlff in Bad Oldesloe. Und Astrid und Holger Wulschner sind froh, einen rüstigen Rentner in Groß Viegeln zu haben, der auch immer noch “Aufgaben” übernimmt, die ganz nebenbei seiner Fitness dienen.
Pferde, so belehrt den Interessierten nahezu jede Abhandlung, gelten ab 20 Jahren als alt. Wie immer gibt es Ausnahmen von einem Wert, sowohl nach oben als auch nach unten. Insbesondere Robustponys werden durchaus noch deutlich älter als 20 Jahre. Anders als vor Jahrzehnten sind Pferde nicht mehr nur Nutztiere, sondern überwiegend Freizeit- und Sportpartner, werden also oft auch nach dem Ende der “Nutzung” gehalten. Für das Erreichen des bestmöglichen Alters gibt es auch nicht nur eine einzige feste Regel, außer wohl der Bedeutung der Genetik. Die beste Pflege ist wichtig, kann aber die Bedeutung der Genetik nicht ersetzen. Und umgekehrt kann Genetik Vernachlässigung und Mangel nur begrenzt kompensieren.
Zu den hübschen Anekdoten über Clausen zählt auch die, dass der Besitzer Siegfried Kludt vor etlichen Jahren entschied, er wolle “diese Anrufe von Kaufinteressenten” nicht mehr haben. Und deswegen übereignete er das Pferd kurzerhand je zur Hälfte seiner Tochter Pauline und dem Reiter Holger Wulschner.
Munterer Senior
Das ist lange her: Clausen ist inzwischen 28 Jahre alt und in einer Art “Teilzeitbeschäftigung” tätig. Wer rastet, rostet ja bekanntlich und deswegen lassen Astrid und Holger Wulschner den rüstigen Rentner immer als Erzieher mit jüngeren Pferden in Gesellschaft. Kurz und gut: Clausen hat keine Langeweile, sieht hervorragend aus und guckt wach und interessiert in die Welt. “Er hat auch mal weniger gut ausgesehen”, so Holger Wulschner, “dann muss man sofort reagieren und schauen was sich verändern muss. Seitdem er Mash und Heucobs als Futtergrundlage hat, ist er prompt wieder in einer guten Verfassung.”
Clausen ist nicht der einzige Senior in Groß Viegeln. Auch der einstige Sportpartner Cavity von Caretino aus der Zucht von Jens Ritters/ Krumstedt ist “Rentner” bei Wulschners. Cavity, der u.a. zum Riders Tour-Gesamtsieg in München 2014 beitrug, kam 2003 zur Welt, ist also 21 Jahre jung und “verzehrt” seine Rente ebenso wie Clausen in der Obhut von Astrid und Holger Wulschner.
Calido, Casall, Cellestial – Alter ist kein Zufall
Im ca. 85 Kilometer entfernten Neu-Benthen hat sich im Dezember 2023 das Leben des Weltklassevererbers Cellestial auf der Hengststation Schmidt vollendet. Der 1994 geborene Cantus-Windesi xx-Sohn wurde 29 Jahre alt. Er hat züchterisch ein imposantes Erbe hinterlassen und war zuvor im Sport unter Rolf-Göran Bengtsson, Heiko Schmidt, André Thieme und auch Kathrin Schmidt erfolgreich. Krank? Cellestial? “Da muss ich echt lange überlegen…”, sagte Heiko Schmidt schon vor zwei Jahren. Der imposante Schimmelhengst war Hauptbeschäler der Station Schmidt, Hingucker bei jeder Hengstpräsentation und gut gehüteter Vererber, dessen Tagesroutinen und Bedürfnisse sorgfältig beachtet wurden.
Auch so etwas spielt eine Rolle: die Tagesabläufe. Als Casall von Caretino-Lavall I, aktuell einer der Holsteiner Top-Vererber und 25 Jahre alt, in Rente ging, hat sein Reiter Rolf-Göran Bengtsson “Hausaufgaben” nach Elmshorn mitgeschickt, wie sich Gerard Muffels, Leiter des Hengststalls beim Holsteiner Verband, schmunzelnd erinnert: “Da stand haarklein drin, wie Casalls Routinen so sind, was zu beachten ist, was er nicht mag…” Und das wurde und wird detailliert eingehalten.
Der ältere Halbbruder Cellestials, der Hengst Calido I von Cantus-Coriander, verstarb 32-jährig im Oktober 2023 auf der Hengststation Maas J. Hell. Genau abgestimmte Fütterung, Tagesabläufe, Aufmerksamkeit, ausreichend Bewegung und Umweltreize, Sozialgefüge und dazu auch noch osteopathische Kontrolle – all das hat den Hengst gesund altern lassen. Ohne die genetische Grundlage allerdings, wären es vielleicht auch weniger Jahre gewesen. Diese Genetik wirkt auch in der Nachzucht – sowohl von Calido, als auch von Cellestial.
Die so oft zitierte “Härte”, also die Widerstandsfähigkeit bei Warmblütern, ist das Ergebnis kluger Zucht über Generationen, ermöglicht eben auch durch Vollbluteinfluss sowohl des englischen Vollbluts aber auch schon vor etlichen Generationen durch arabisches Vollblut. Diese Härte nie aus den Augen zu verlieren im Interesse der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Pferde – daran erinnern erfahrene Züchterinnen und Züchter immer wieder zu Recht. Anders ausgedrückt: die spektakulärste Mechanik und das hübscheste Köpfchen sind wunderbar, allerdings nur solange das Fundament und die Härte eben auch mithalten. M.B.
Der vollständige Beitrag, inkl. Hinweisen zum Nährstoffbedarf erscheint in der Ausgabe 04 von Horseweb Mecklenburg-Vorpommern. Fotos von Wulschner, S. Lafrentz, S. Bischoff, S. Haas